Medienbildung, das Spinnennetz zwischen den Treppen

Einer spannenden Einladung zu einem Vortrag auf der Tagung der „AG Medien im SSD“ an der TU Dortmund  darf ich am 11.6.2010 Folge leisten. Die Reise des Zwergs zum Riesen. Die PH Wien hat etwa 1200 Studierende, die TU Dortmund an die 24000. Die PH Wien wurde 2007  gegründet, die TU Dortmund blickt auf eine hundertjährige Geschichte zurück. Soviel mal zum Ausgangspunkt. Ach ja das Arbeitsthema: Medienkonvergenz und Hochschuldidaktik.

Da ist mir zuerst einmal der Digital Divide an unserer Hochschule ins Auge gestochen. Die Anbindung ans Internet ist zwar ausreichend gegeben, die Versorgung mit aktueller IT Hard- und Software ist aber erst im Aufbau. Eine umfassende digitale Lernumgebung, die der Entwicklung der Technologie entspricht, ist erst teilweise vorhanden. Es geht zwar voran, aber langsam. In den restlichen PHs in Österreich ist die Situation nicht viel besser. Ein virtueller Blick nach Dortmund zeigte mir, dass da sicherlich keine Anbindungsprobleme bestehen. Da hab ich mich mal umgesehen, wie denn die Situation an anderen österreichischen Unis und Hochschulen aussieht und da reduzierte sich die Frage des Digital Devides im herkömmlichen Sinn ziemlich rasch.

2009 publizierten Martin Ebner & Mandy Schiefner eine Vergleichsstudie der TU Graz und der TU Zürich: Digital native students? Web 2.0-Nutzung von Studierenden. (Interessanterweise habe ich nirgends eine ähnliche Studie in Bezug auf Lehrende gefunden). Die Anbindung ans Netz ist da weder für Studierende noch Lehrende ein Problem. ELBA, der elektronische Baukasten der TU Zürich ist in Bezug auf IT Tools für die Lehre beispielgebend. Digital Devide gibts 2010 defakto kaum noch. Was ist aber die Ursache für die gleichzeitig festgestellte geringe Nutzung all der Möglichkeiten, die Web 2.0 oder besser gesagt Social Software für die Lehre bietet? Ist die Medienkonvergenz zwar vorhanden, aber der Umgang mit konvergenten Tools ein Problem? Gibt es statt dem Digital Devide einen Competence Devide, wie auch Dennis Schäfer in seinem Blog lernenzweinull.de feststellte?

Ja, ich denke die Feststellung ist  richtig. Auch bei uns an der Hochschule zeigt sich, dass es leichter ist, technische Ressourcen anzuschaffen als die medienadäquate Nutzung zu implementieren. Die virtuelle Welt boomt und die Verschränkung zwischen analoger und digitaler Lernumgebung schreitet voran. Schon in der Grundschule wird mit Notebooks und seit kurzem sogar mit I-Phones im Klassenzimmer gearbeitet. Die Kinder wechseln zwischen realer Welt und virtueller Welt. Zwischen Schulheft, Lesebuch, digitalem Whiteboard und Online Communities wie Facebook o.ä.Die Lernumgebungen wachsen zusammen. Auch auf der Hochschule?

Nun da gibt es einige Vorreiter, vor allem unter dem Schlagwort E-Learning machen sich Angebote von digitalen Lernumgebungen breit. Die Nutzung dieser Angebote bleibt vorerst traditionell:vorrangig passiv. Gerade aber für die Weiterentwicklung demokratischer Strukturen und auch der Hochschuldidaktik, weg vom Frontalvortrag hin zu Forschendem Lernen. Im Journal Hochschuldidaktik Heft 2 – 2009 (Uni Dortmund) stoße ich auf eine kurzen Bericht über Erfahrungen mit Web 2.o in Bezug auf Forschendes Lernen (Medieneinsatz im Prozess des forschenden Lernens: Die Rolle von Web 2.0-AnwendungenAngela Carell & Isabel Schaller). Auch hier wieder wird trotz der positiven Gesamtergebnisse angemerkt, dass letztlich lieber  Word Dokumente per Mail verschickt werden als dass Texte kollaborativ via Netz bearbeitet werden. Das Werkzeug ist neu, das Nutzungsverhalten alt. Auch bei mir hats mehrere Jahre gedauert ehe ich Windows hinter mir lassen konnte und Ubuntu auf allen meinen Rechnern als Betriebssystem installierte.Diese Trägheit ist immer wieder festzustellen. Die Nutzung und die Kompetenz hängen eben stark zusammen. Oftmals sind ja die Bilder der virtuellen Lernumgebungen für die Lehrednen gar nicht decodierbar. Wie also diese Schnittstellen zwischen Digitaler und Analoger Lernwelt überbrücken?

Ansatz bietet einerseits die Kompetenzsteigerung sowohl bei Studierenden als auch bei Lehrenden. Schulungsangebote sowohl in traditioneller als auch via Social Software sind die Basis. Aber Schulungsangebote alleine reichen nicht. Es muss beim persönlichen Nutzen für den Einzelnen angesetzt werden. Diesen gilt es zu BEGREIFEN. Dazu bedarf es handlungsorienterter Angebote, die am Alltag der NutzerInnen ansetzen. Hier eben am Alltag von Lehrenden und Studierenden.

Als weiteres Problemfeld ist die Kluft zwischen den einzelnen Fachbereichen, die linearen Curriculas, die sauber im Gegensatz zu forschendem Lernen und vernetztem Denken getrennt weiterentwickelt werden. Wie soll denn zusammenlaufen, was in vielen Jahrzehnten fein säuberlich getrennt wurde und wo partielle Klientelinteressen sich gegen Kollaboration und Vernetzung stellen.

Adler steigen keine Treppen„, stellte Freinet angesichts der linear aufgebauten und getrennten Curriculas und Fachgegenstände nun vor fast 100 Jahren schon fest. LehrerInnen planen für die Kinder die stufenweise Vermittlung von Lernstoff. Die Kinder aber rutschen über Geländer und krochen auf allen vieren hoch. Es gibt eben viele Wege und individuell spannendere, um vom Erdgeschoß aufs Dach zu gelangen. Der Widerspruch zwischen institutioneller Planung und individueller Lernmotivation hat gehalten. Es werden weiterhin die curricularen Treppen ausgebaut. Der lehrerzentrierte Frontalunterricht dominiert und nur hin und wieder gibt es bunte Wiesen, sprich offene Lernmethoden, die auf der Neugier und dem individuellen Interesse aufbauen. Da werden immer wieder von Einzelnen oder ganzen Gruppen rund und zwischen den Treppen alle möglichen Querträger und Spinnennetze eingewoben.

Es gilt neben den individuellen, persönlichen Angeboten auch organisatorische und gesetzliche Antworten zu forcieren. Verankerung der Medienbildung in Erlässen, Gesetzen, Hochschulorganisation und Curriculas. Antworten, die die integrative Medienbildung als Lehrprinzip verankern. In Zukunft sollte wohl auch Medienkompetenz als Kriterium für die Vergabe von Lehrstühlen Geltung kriegen.

Damit aus den rund um die Menschen angesiedelten technischen Werkzeugen, ein Werkzeugkasten im Dienste der Vernetzung der Menschen und des Wissens geschaffen wird. Macht euer implizites Wissen explizit verfügbar. Jedenfalls baut darauf das Konzept des CampusPLUS an der PH Wien.

Daher werde ich von den Chancen erzählen, den Competence Divide an der Hochschule zu überwinden.

Die erwähnten und auch weiterführende Links zum Beitrag sind unter http://delicious.com/bergerc/dm2010 zu finden.

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